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Interview mit Adrian Waldmann, Gastlehrer aus Bolivien

Vom 06. – 26.11.2016 hatten wir einen Gast an unserer Schule, der einmal mehr internationalen Wind in unsere Räume gebracht hat. Adrian Waldmann lebt und arbeitet in Bolivien und besuchte im Rahmen eines Austauschprogramms unsere Schule, um Erfahrungen für seine eigene Tätigkeit als Lehrer zu sammeln. Wir haben ihm folgende Fragen gestellt.

In Bolivien arbeiten Sie bereits als Lehrer. Wie gefällt Ihnen der Beruf?

Mir gefällt der Beruf gut. Ich bin durch Zufall dazu gekommen. Ich bin eigentlich Ethnologe, habe in anderen Dingen gearbeitet, obwohl ich auch an der Uni unterrichtet habe. Schule ist was anderes, da muss man pädagogisch rangehen. Aber es macht mir Spaß.

Vor welche Herausforderungen stellt Sie der Beruf?

Das eine ist das Vermitteln, aber die eigentliche Herausforderung für mich in Bolivien ist die Disziplin, was hier gar nicht so ein Thema ist, weil die Schüler hier viel disziplinierter sind als dort. Ich mache die typischen Anfängerfehler eines Lehrers, der immer nett sein will und es anders machen will, und das ist, glaube ich, keine gute Idee.

Was ist das Besondere an Ihrer Schule, der Deutschen Schule in Santa Cruz?

Ich bin dort an einer Privatschule Lehrer. Es wird auf Deutsch unterrichtet, aber mehr als Zweitsprache. Es sind keine Muttersprachler, sondern Bolivianer, die auf diese Schule gehen, weil sie einen guten Ruf hat. Sie bietet das IB als einzige Schule in Santa Cruz an. Hinzu kommt, dass das öffentliche Bildungssystem nicht besonders ist. Wer möchte, dass die Kinder einen guten Abschluss erhalten, muss sie auf eine private Schule schicken. Die Schule ist groß, es sind 1500 Schüler, aber das schließt Kindergarten und Vorschule mit ein. Die Rahmenbedingen sind ganz anders. Man ist „service“. Man bietet einen Service an und die Schüler erwarten mehr oder weniger von einem, dass man ihnen gute Noten garantiert, ohne dass sie viel tun müssen. Durchfallen ist auch nicht etwas, was eine Option ist. Man kann wenig sanktionieren und Disziplin und Autorität durchzusetzen stellt eine eigene Herausforderung dar, der ich mich stellen muss. Außerdem bin ich es nicht gewöhnt, so aufzutreten.

Sie kennen den Schulalltag Ihrer Schule und nun ein wenig auch unseren. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es?

Ein bisschen das, was ich eben schon gesagt habe: die Disziplin. BIS die dort mal zur Ruhe kommen, BIS man mal den Unterricht anfangen kann, das ist jedes Mal ein Theater, das es hier nicht gibt. Die Klingel ist viel massiver, hier tönt es sanft und dann wissen schon alle, dass sie an ihre Plätze gehen müssen. Die Schüler sind dort im allgemeinen entspannter, ich finde, hier stehen die Schüler mehr unter Druck, wissen mehr, dass die Zukunft von ihren Noten abhängt, Numerus clausus und Abitur – all das wird sehr ernst genommen – und dort nimmt man das lockerer. Die Pausen sind kürzer, die Verteilung zwischen Pausen und Unterricht ist hier besser gemacht. Dort haben die Schüler viele Doppelstunden und nur zweimal 15 Minuten Pause. Dadurch gibt es oft Verhandlungen um Freiräume.

Sie wollten bei uns auch für Ihre Tätigkeit als Lehrer Erfahrungen sammeln. Ist das gelungen? Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit? Konnten Sie auch praktische Erfahrungen machen?

Bisher war ich mehr hospitieren, ich habe auch mal unterrichtet, diese Woche werde ich auch nochmal unterrichten. Viele inhaltliche, aber auch methodische Anregungen habe ich erhalten.

Worauf freuen Sie sich, wenn Sie nach Bolivien zurückkehren? Werden Sie dort auch etwas von hier vermissen?

Auf meine Schule und meine Schüler. Ich finde es hier sehr schön. Um etwas zu vermissen, bin ich vielleicht zu kurz da. Es ist immer dieses Hin und Her zwischen Deutschland und Südamerika. Dann vermisse ich immer die deutsche Zuverlässigkeit, die es dort nicht gibt. Und Dresden ist eine sehr schöne, spannende Stadt, die mich sehr gut behandelt hat.

Zum Schluss: Welchen Eindruck vom BeBe nehmen Sie nach den drei Wochen mit nach Bolivien?

Spannend! Das Multikulturelle finde ich sehr spannend. Hier gibt es interessante Lehrerpersönlichkeiten, auch sehr unterschiedliche Perspektiven auf die Dinge. Gerade im Bereich Ethik/Philosophie/TOK werden unterschiedliche Standpunkte vertreten und jeder Lehrer hat seine Persönlichkeit – das finde ich spannend. Das nehme ich mit. Manchmal tut es mir Leid für die Schüler, dass sie sehr früh unter Druck stehen, nicht von der Schule, sondern durch das System, das ist nicht die Schule selbst. Es war eine angenehme Erfahrung. Es ist wie eine Rückkehr in meine eigene Schulzeit. Da ich nicht als Lehrer ausgebildet bin, bin ich, wenn ich hospitiere, wieder Schüler. Das ist eine schöne Erfahrung.

Wir wünschen Ihnen eine gute Heimreise und weiterhin viel Erfolg und Freude mit Ihren Schülern!